Kommentar zur Forderung nach einer Freiwilligen Cyber-Feuerwehr

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von Stefan Kaufmann

Der folgende Kommentar stammt von Stefan Kaufmann:

Stefan (@_stk) engagiert sich schon seit einer ganzen Weile in der Civic Tech-  und Open Data-Szene. Sein Lieblingsfeld ist der Nahverkehr. Er ist außerdem im Orgateam von Jugend hackt in Ulm und hat das dortige Verschwörhaus mitgegründet.

Es ist Wahlkampf, und im Wahlkampf werden Geschenke versprochen – Innenminister de Maizière hat aktuell mit der Einrichtung einer Freiwilligen Cyber-Feuerwehr eine besonders leere Verpackung in den Ring geworfen. Junge Freiwillige sollen nun also in Notfällen für die IT-Sicherheit von Firmen sorgen – und das stößt mir als Civic-Tech-Freiwilligem und als Organisator von Jugend hackt in Ulm genauso auf wie als langjährigem Feuerwehraktiven.

Es ist nicht so, als wäre die Feuerwehrmetapher im digitalen Ehrenamt neu. Als 2014 das Netzwerk Code for Germany gegründet wurde, hatten wir in der Brainstormingrunde lange überlegt, wie die lokalen Außenstellen in den deutschen Städten heißen sollten. Beim damaligen US-Vorbild Code for America heißen die ja tatsächlich „Brigades“ und sie verwenden Feuerwehrsymbolik. Dieses Bild hatte ich auch schon ein paar mal bemüht – unter anderem in einem gemeinsamen Vortrag mit Code-for-Germany-Gründerin Julia Kloiber – und so ganz falsch finde ich das nicht. Die modernen freiwilligen Feuerwehren sind quasi durch die Bank nicht top-down entstanden, sondern aus den Turnerschaften heraus, bottom-up, mit Innovationen aus der Zivilgesellschaft (okay okay, die Turnerschaften standen oft politisch sehr rechts. Mist. Nie ist ein Vergleich so richtig toll.)

Das Rückgrat des Feuerlöschwesens in Deutschland ist aber bis heute ehrenamtlich, und den Gemeinden obliegt es als Pflichtaufgabe, dieses Ehrenamt zu fördern. Es gibt Landesfeuerwehrgesetze, die jede Gemeinde verpflichten, ihre Feuerwehr mit Infrastruktur auszustatten: von ihrem Gebäude über Fahrzeuge und Geräte bis zur persönlichen Schutzausrüstung jeder einzelnen Feuerwehrfrau und jedes Feuerwehrmanns. Und nicht zuletzt muss sie auch für die Aus- und Weiterbildung aufkommen und mit der Lohnfortzahlung dafür sorgen, dass dieses Ehrenamt nicht zu Lasten des Arbeitseinkommens geschehen muss.

Das alles geschieht ausdrücklich nicht, um alleine Firmen vor Gefahr zu schützen, wie das die angeregte Jugend-Cyber-Feuerwehr tun soll. Sondern es geht hier um Dienst an allen Nächsten gegen Not und Gefahr, ungeachtet ihres Einkommens, ihrer Herkunft oder Hautfarbe – und vor allem als Dienst, der ausdrücklich nicht als kommerzielles Geschäft erbracht werden kann oder soll. Wer vor diesem Hintergrund eine Cyberwehr fordert, zeigt lediglich, weder das Wesen der Feuerwehr noch den seit Jahren existierenden Einsatz im digitalen Ehrenamt verstanden zu haben. Der Schutz von Firmennetzwerken hat nichts mit dem Dienst am Nächsten gemein, sondern mit dem Versuch, stellvertretend für Firmen kostengünstig an ordentliche IT-Sicherheit zu kommen.

Der Dienst an den Nächsten wird seit Jahren in lokalen, nicht innenministerlich verordneten, sondern zivilgesellschaftlich selbstorganisierten Gruppierungen wie Jugend hackt, den Open Knowledge Labs, den Erfas des CCC und in Hack- und Makespaces gelebt: mit vielen umfangreichen Programmen, Workshops und Kursen und vor allem mit viel Herzblut und Liebe. Wer digitales Ehrenamt in der Breite aufbauen will, muss das Rad nicht ständig neu erfinden – sondern könnte stattdessen endlich einmal Geld in die „digitalen Feuerwehrhäuser“ und die bereits existierenden Programme stecken, um damit die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit dieses Ehrenamt zum Wohle aller auch nachhaltig betrieben werden kann.