„Was ist dieses Python?“ – Ein Lagebericht aus der Schule

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von Jugend hackt Team

Ein Gastbeitrag von Anna Keune

Zur Autorin: Anna ist Teilnehmerin der ersten Stunde von Jugend hackt. Sie wünscht sich, dass auch andere Junghacker*innen Blogposts rund um das Thema Technologie/Programmieren/Computer verfassen. Da können wir vom Team nur sagen: +1! Schreibt uns mit euren Ideen an info@jugendhackt.org

Alle paar Monate findet man mich auf Tech-Konferenzen – eine ungewöhnliche Freizeitgestaltung für eine Jugendliche? Manchmal finden sich einige wenige Gleichaltrige dort. Letztlich ist es ein Ausdruck des Interesses am Fachgebiet, und auch meine Teilnahme an Jugend hackt fällt in eine ähnliche Kategorie. Schließlich werden auch Fachmessen von jugendlichen Besuchern aufgesucht, da sie einen Raum für ihr Hobby bieten.

Allerdings gibt es im Unterschied zu manch anderem Hobby ein eigenes Unterrichtsfach, das sehr eng mit Programmierung zusammenhängen könnte: Informatik. Mein Informatiklehrer weiß jedoch den Unterschied zwischen „Programmieren“ und „Informatik“ zu betonen. Er setzt gewissermaßen voraus, dass alle seine Schüler hinreichende Java-Kenntnisse haben, um die gelehrten Algorithmen zu implementieren. Dies begründet er damit, dass das Lehren einer Programmiersprache nicht Teil des Informatikunterrichts sei – die Implementationen in einer Programmiersprache hingegen schon.

Zu Beginn des Kurses gab es mehrere Schüler, die als persönliches Kursziel „Programmieren lernen“ angaben. Dreieinhalb Jahre später haben eben diese Schüler Informatik abgewählt. Dem schulischen Informatikunterricht gelingt es also (in meinem Fall) nicht, hinreichende Programmierfähigkeiten zu vermitteln. Andererseits deckte ein Halbjahr rein theoretische Informatik bei einem anderen Lehrer älteren Semesters innerhalb kürzester Zeit nahezu das komplette Themenspektrum der dreijährigen Oberstufe ab.

Eine zeitliche oder gar fachliche Trennung des Informatik- und des Programmierunterrichts ist eine mögliche Konsequenz. Auf dieser Grundlage ist Wirtschaftsminister Gabriels Forderung nach Programmiersprachen als Schulfach durchaus nachvollziehbar. Auch im Fremdsprachenunterricht müssen erst nach einigen Jahren des Spracherwerbs Textanalysen und -interpretationen angefertigt werden. Genauso müsste vor der Implementation der Spracherwerb einer geeigneten Programmiersprache erfolgen – oder komplett auf Implementationen verzichtet werden.

Eine andere Frage wiederum ist, ob dieser Spracherwerb in schulischem Umfeld stattfinden kann und sollte. Letztlich ist Programmierung im jugendlichen Alter meist ein Hobby, und nur wenige Hobbys werden in der Schule gefördert. Mein Einstieg in die Programmierung fand primär mit Hilfe eines MOOC statt, und Sprache der Wahl war auch nicht Java, sondern Python. Durch Zufall stieß ich auf die Wettbewerbsausschreibung für PyMove3D – eine Eintrittskarte auf meine erste Tech-Konferenz und daher mit Grund dafür, dass ich auch heute noch gerne an Konferenzen teilnehme: Sie demonstrieren eindrucksvoll, welche Möglichkeiten die Fähigkeit zu Programmieren eröffnet. Zurückblickend konnte mich jede dieser Konferenzen mehr für MINT-Berufe begeistern als etwaige Förderprogramme für Mädchen!

Im Jahr 2013 wollte ich mich beim Schulleiter – der selbst Informatiklehrer ist – für die Teilnahme an eben dieser Konferenz beurlauben lassen. Er fragte mich sinngemäß: „Was ist dieses Python?“ Da ist es nicht verwunderlich, dass seitens der Informatiklehrer wenig Initiative kommt, Schüler mit einem besonderen Interesse an der Programmierpraxis an alternative Strukturen wie beispielsweise CoderDojos oder eben Jugend hackt zu vermitteln. Ich gehe auch davon aus, dass nur wenige überhaupt von deren Existenz wissen. So verteilt erst seit letztem Jahr mein Informatiklehrer Flyer für den nun schon in der 33. Runde stattfindenden Bundeswettbewerb Informatik. In vielen anderen Fächern hingegen sind Bundeswettbewerbe bereits eine etablierte Größe.

Derzeit schreibe ich meine Facharbeit in Sozialwissenschaften über Open Government. Die Reaktion auf diesen Themenvorschlag seitens der Lehrerin war nicht „Was ist dieses Open Government?“, sondern die Antwort, dass sie sich mit diesem Thema zwar nicht auskenne, aber durchaus bereit wäre, sich damit zu befassen. Sozialwissenschaften ist ein Fach, das sich durch ähnlich schnelllebige Aspekte wie Informatik auszeichnet: Ein Lehrbuch von 2008 ist in beiden Fächern aktualisierungsbedürftig. Wären meine Informatiklehrer ähnlich aufgeschlossen für die Entwicklungen in ihrem Fach und stellten von vorneherein klar, was Informatikunterricht nicht leisten kann – der Kurs würde möglicherweise weitaus weniger abgewählt, als es derzeit der Fall ist.

Insbesondere in den USA und Großbritannien finden sich Initiativen, die in einem meist schulischen Umfeld interessierten Kindern und Jugendlichen das Programmieren lehren und die nicht von Lehrern, sondern von freiwilligen Externen geleitet werden. In Deutschland hingegen sind diese noch kaum verbreitet. Eine flächendeckende Versorgung mit Informatik- bzw. Programmierunterricht würde eine geringe Qualität des Unterrichts zur Folge haben, wenn eigentlich fachfremde (MINT-)Lehrer dazu eingesetzt würden. Eine höhere Dichte an von Fachkundigen geleiteten Zentren könnte hingegen durchaus in der Lage sein, Jugendliche mit einem technischen Interesse zu fördern – die Ergebnisse in anderen Ländern sind jedenfalls vielversprechend. Gleichzeitig können es Informatiklehrer durchaus schaffen, theoretische Aspekte der Informatik zu vermitteln, auch wenn sie selbst keine oder kaum Programmiererfahrung haben. Somit ist die Schule durchaus ein geeigneter Ort für den Informatikunterricht – der dann jedoch die geforderten „digitalen Kompetenzen“ der Schüler nicht zu steigern vermag.