Unterwegs mit Nina

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von Ilona Stuetz

Wer sagt eigentlich, dass man ein bestimmtes Alter haben muss, um genug zu wissen oder wichtige Entscheidungen zu treffen? Ninas Geschichte ist ein tolles Beispiel dafür, dass Expertise keine Frage des Alters ist, sondern dass es nur darum geht, Ideen und Interessen mit Begeisterung zu verfolgen.

cc by-sa   Vidister

Nina ist eine junge Frau aus Konstanz. Als sie 13 Jahre alt war, wollte sie unbedingt coden lernen. Sie war enttäuscht von der Tatsache, dass es an ihrer Schule keine Programmierkurse gab und fing an, nach Alternativen zu suchen. Sie durchsuchte das Internet nach Tutorials und hörte sich verschiedene Podcasts an. Etwas später nahm sie an einem Workshop zur Spieleprogrammierung teil, den ein Lehrer ihrer Schule anbot. Obwohl sie sich nicht wirklich für Entwicklung und Design von Spielen interessierte, nutzte sie den Workshop als Chance, etwas über Programmierung zu lernen.

In einem der Podcasts hörte sie von einem Angebot namens „Jugend hackt“. Jugend hackt ist ein Programm für programmierbegeistere Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren. Ein Ziel von Jugend hackt ist es, junge Programmierer*innen mit anderen zu vernetzen, die die gleichen Interessen haben. Das andere Ziel ist es, Jugendlichen zu zeigen, wie sie mit ihren Fähigkeiten Probleme der heutigen Welt lösen können und sie dafür zu sensibilisieren, dass sie als zukünftige Programmierer*innen nicht nur viele Möglichkeiten, sondern auch eine besondere Verantwortung haben.

Auf dem Event von Jugend hackt war Nina begeistert, von Gleichgesinnten umgeben zu sein. Ein 16-jähriges Mädchen zu sein, das sich für Verschlüsselung und Datenschutz interessiert, war nicht mehr seltsam. Bei ihrem ersten Hackathon beschlossen Nina und andere Teilnehmer*innen, eine Website zu entwickeln, die den Benutzer*innen hilft Verschlüsselung zu benutzen. Anstatt ein traditionelles „How-to“ zu schreiben, beschlossen sie, ein Tool mit personalisierten Informationen und Anweisungen zu entwickeln.

„Wie soll ich es beschreiben, damit nicht nur Hacker*innen oder Programmierer*innen es verstehen, sondern auch die Freund*innen meiner Mutter?“ war ihre Leitfrage. Verschlüsselung funktioniert nur, wenn die Personen, mit denen man kommunizieren will, diese Art der Kommunikation verstehen.

Jugend hackt in Südkorea [CC BY Goethe-Institut Korea/Oh Choong Seok]

Das Ergebnis hieß HowToPGP. Am Anfang des Tools steht ein kurzer Fragebogen. Je nach Betriebssystem und Kenntnisstand des*der Benutzer*in gibt es unterschiedliche Anweisungen. Auf der jährlichen Hackerkonferenz, dem Chaos Communication Congress im Jahr 2015, präsentierte Nina das Projekt und die Gruppe erhielt viele positive Rückmeldungen. Unter den Zuhörer*innen befanden sich auch Programmierer*innen, die an wichtigen Verschlüsselungssoftwares arbeiteten.

Im Jahr 2017 nahm Nina am Austauschprogramm „Vernetzte Welten“ von Jugend hackt in Seoul teil. Ihre Gruppe hatte sich überlegt, etwas mit Hardware zu machen, noch bevor sie festgelegt hatten, welches Problem sie lösen oder welche Programmiersprache sie benutzen wollen.

Das Ergebnis war der „CoolTourHat“, ein Hut, der hilft, Menschen mit denselben Interessen zu finden. Das Programm benachrichtigt den*die Benutzer*in, wenn jemand mit denselben Interessen in der Nähe ist. Aufgrund fehlender Hardware musste die Gruppe improvisieren und der erste Prototyp war eher unhandlich. Zu Hause hat Nina den Hut neu gestaltet – nicht weil sie mit dem, was sie sich ausgedacht hatten, unzufrieden war, sondern um sich selbst zu beweisen, dass sie es alleine schaffen würde.

cc   by 4.0 Nina Röckelein

2018 nahm Nina zum ersten Mal bei Jugend hackt als Mentorin teil. Dort gab es Expert*innen aus verschiedenen Bereichen – Programmierer*innen, Designer*innen, Soft- und Hardwareentwickler*innen. Für Nina war es etwas ganz besonderes, dass die Mentor*innen die Jugendlichen wirklich unterstützen und ihnen halfen, Antworten zu finden, anstelle einfach die Lösung vorzugeben.

Eine Gruppe von drei Jugendlichen arbeitete an einem Projekt zur gemeinsamen Nutzung von Lebensmitteln. Sie bauten einen Kühlschrank-Prototypen, der alle verfügbaren Produkte scannen und auf einer Online-Plattform anzeigen sollte. Obwohl die drei Teilnehmer*innen sehr unterschiedliche Qualifikationen hatten, lief das Projekt reibungslos. Nina beschreibt ihre Rolle als „sich zurücklehnen, ab und zu einen Blick auf das Projekt werfen und ein wenig beim Zeitmanagement helfen“. Und natürlich staunte sie über die tolle Teamarbeit.

Das Projekt „foodsharinghub“ von Jugend hackt in Ulm 2017 CC-BY 4.0 Jugend hackt, Foto: Holger Dorn

Vor nicht allzu langer Zeit wurde Nina von einem der örtlichen Politiker gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, für einen Sitz im Gemeinderat zu kandidieren. Sie setzte sich immer für Beteiligung ein. Die Möglichkeit, viele Fragen zur Arbeitsweise des Gemeinderats zu stellen, half ihr, ein klareres Bild von der Aufgabe und den Verantwortlichkeiten zu bekommen. Zu ihren wichtigsten Prioritäten gehören: offene Daten, digitale Beteiligung und der Kampf gegen den Klimawandel.

Auch das ist ihr gelungen: Nach der Kommunalwahl im Mai 2019 ist Nina für die Grünen in den Konstanzer Gemeinderat eingezogen – mit 21 Jahren als jüngstes Mitglied. 

Wenn man Nina trifft, fällt einem als erstes ihre positive Energie auf. Sie mag ruhig und still sein, aber wenn sie sich ein Ziel gesetzt hat, findet sie einen Weg, es zu erreichen.


Dieser Text wurde zuerst auf Englisch auf der Projektwebseite von „DOIT – Entrepreneurial skills for young social innovators in an open digital world“ veröffentlicht.